Die US-Inflation ist zuletzt mit einer Rate von 5 Prozent gestiegen, und es ist deutlich mehr als von vielen Beobachtern erwartet wurde. Wie in Europa mangelt es auch in den USA nicht an ermutigenden Stimmen, die temporäre Sondereffekte auf starke Inflationseffekte zurückführen und vor einer Überschätzung der aktuellen Zahlen warnen.
Sondereffekte wie Volatilität bei Rohstoffpreisen und Nahrungsmittelpreisen gibt es zweifellos, und der extrem starke Anstieg der Mietwagenpreise kann nicht so weitergehen.
Wie ungünstig ist die Situation heute?
Doch mit jedem Monat, in dem die Inflation über den Erwartungswert steigt, stellt sich die Frage, ob nicht diejenigen Ökonomen Recht haben, die die Kombination aus expansiver Geld- und Finanzpolitik in einer sehr zügigen wirtschaftlichen Aufschwung als Bedrohung der Preisstabilität sehen. Auch das US-Notenbank-System, das in seiner Geschichte die Inflationsgefahren lange Zeit mehrfach unterschätzt hat, macht nun deutlich, dass das Problem im Fokus steht.
In den USA wächst die Wirtschaft dynamischer als im Euroraum, aber die seit langem vorsichtigere Europäische Zentralbank sieht nun Anzeichen einer nachhaltigen Konjunkturaufschwung. Die Frage, ob mit der schrittweisen Überwindung der Pandemie die Zeit naht, die im Rahmen des Pandemieprogramms beschlossenen Anleihekäufe zu reduzieren, wurde im Rat der Zentralbank kontrovers diskutiert. Erneut setzte sich die Mehrheit der Vorstände mit Forderung nach unverändert hohen Käufen der Anleihen durch.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Mehrheit im Herbst anhält. Sollte sich dank einer guten Tourismussaison auch die Erholung in Südeuropa festigen und die US-Notenbank ihre Anleihekäufe zurückfahren, könnte auch die EZB eine allmähliche Abkehr von ihrer Politik signalisieren. Denn im Herbst wird die Inflation höher sein als heute.
Amerikas Zukunft – mehr Inflation und mehr Schulden
Nach Ausbruch der Pandemie-Krise war die Fed gezwungen, ihren Leitzins blitzschnell auf 0–0,25 Prozent zu senken und noch mehr Wertpapiere zu kaufen als während der Finanzkrise. Im Jahresverlauf stieg die Bilanzsumme der Notenbank von 4,1 Billionen Dollar auf 7,4 Billionen Dollar, ein Plus von 80%.
Da eine solch überexpansive Geldpolitik für die Preisstabilität unsicher ist, wurde in Washington immer wieder die Idee vorgebracht, durch groß angelegte Konjunkturprogramme mehr Geld in die eigenen Hände zu nehmen, um die Wirtschaft in Krisenzeiten zu stützen.
Dies hatte einige Erfolge. Im vergangenen Jahr unterzeichnete die Regierung vier Hilfspakte über insgesamt 3.400 Milliarden US-Dollar. Das Haushaltsdefizit des Bundes stieg auf knapp 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Beim US-Finanzministerium war es noch einfacher, finanzpolitische Maßnahmen zu ergreifen. Anfang 2021 war ein Konjunkturpaket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar geplant. Dies entspricht etwa 9 Prozent des BIP. Dazu gehören folgende Arten der Hilfeleistung:
- direkte Hilfe für Bürger in Form von Einmalzahlungen
- erhöhtes Arbeitslosengeld
- erhöhte Mittel zur Unterstützung von Staaten im Kampf gegen die Pandemie
- mehr Mittel für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energiequellen
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein demokratisch dominanter Kongress diesem Paket gerecht wird, ist ziemlich hoch.
Es gibt jedoch einen gigantischen Stimulus
Zusammen mit den bereits verabschiedeten Programmen beträgt der fiskalische Stimulus für die US-Wirtschaft etwa 28 Prozent des BIP. Das ist fast viermal mehr als während der Finanzkrise von 2008 bis 2010. Kein anderes großes Land der Welt hat während der Pandemiekrise so viel Geld in seine Wirtschaft investiert wie Amerika. Selbst Deutschland, das in Europa am meisten Geld für Krisenmanagement ausgibt, kommt nur auf einen halb so großen fiskalischen Impuls wie die Vereinigten Staaten.
Auch wenn die Fiskalpolitik den Großteil der Konjunkturimpulse übernimmt, bedeutet dies nicht, dass die Notenbank in absehbarer Zeit die Zügel straffen wird. Bei der Fed gibt es Stimmen, die Anleihekäufe von derzeit 120 Milliarden Dollar im Monat reduzieren wollen. Doch die Mehrheit macht deutlich, dass sich diese Zahl in naher Zukunft nicht ändern wird.
Von 2016 bis 2019 versuchte die Fed, die Geldpolitik zu normalisieren und hob ihren Leitzins schrittweise von 0 – 0,25% auf 2,25 – 2,50% an. Gleichzeitig trat die Regierung unter Donald Trump auf den finanzpolitischen Beschleuniger, indem sie die Steuern senkte und die Staatsausgaben erhöhte.
In diesem Zeitraum wuchs das Haushaltsdefizit von 3,1 Prozent (2016) auf 4,6 Prozent (2019) des BIP. Als sich die Konjunktur 2019 abschwächte, brach die Fed den Straffungskurs abrupt ab und senkte den Leitzins.
Angesichts dieser Erfahrungen ist es unwahrscheinlich, dass es in den nächsten Jahren weitere Normalisierungsversuche geben wird. Vielmehr ist mit einer Kombination aus expansiver Fiskal- und expansiver Geldpolitik zu rechnen. Die steigende Staatsverschuldung hat die Fed wie die EZB längst zum wichtigsten Geldbeschaffer der Regierung gemacht. Da sich überschuldete Staaten höhere Zinsen nicht leisten können, wird die Fed die Kosten für die Mittelbeschaffung in den nächsten Jahren niedrig halten.