Europa in der Gaskrise – wie teuer es noch werden kann. Das sagen die Experten

Russland geht von einer neuen Gaskrise in Europa und in der Zukunft aus. Deshalb rief der Staat die Verantwortlichen in der EU zu Verhandlungen auf. Russland hat weitere Lieferungen zugesagt. Aber es gab keine Anfragen dazu.


Laut einigen Experten fehlen den europäischen Speichern rund 24 Millionen Kubikmeter Gas. Gleichzeitig hat sich die Energie-Supermacht in letzter Zeit immer wieder von der Verantwortung für Preiserhöhungen freigesprochen.


Nach Angaben der russischen Behörden kommt Russland seinen vertraglichen Verpflichtungen voll und ganz nach. Die Lieferungen in die Weltmärkte sind im Vergleich zum Vorjahr sogar um 13 Prozent gestiegen. Russland selbst verbrauchte 2021 so viel Gas wie schon lange nicht mehr. Dies ist jedoch auf den kalten Winter und die wirtschaftliche Erholung zurückzuführen. Viele Experten halten eine neue Gaskrise in Europa in Zukunft für möglich.

Putin trägt zur frühestmöglichen Inbetriebnahme von Nord Stream 2 bei?

Zuletzt forderte Wladimir Putin den vorzeitigen Start der Gaspipeline Nord Stream 2, die Erdgas aus Russland über die Ostsee nach Deutschland liefern soll. Lieferungen auf dieser Strecke würden die Situation auf dem aufgeheizten Gasmarkt entlasten. Obwohl die Pipeline fertiggestellt ist, haben die deutschen Behörden noch keine Betriebsgenehmigung erhalten.

Europas Streben nach Unabhängigkeit

Wegen Gasstreitigkeiten mit Russland will die EU-Kommission Europa weiterhin unabhängiger von russischem Gas und Öl machen. Dazu müssen Staaten ihre Speicher und Pipelines ausbauen, nationale Notfallpläne erstellen und heimische Energiequellen besser nutzen.


Die EU wollte ihre LPG-Terminals noch früher ausbauen. Stresstests sollen herausfinden, ob die Stromversorgung im Falle einer Versorgungsunterbrechung oder einer erneuten Gaskrise gesichert ist. Für Osteuropa werden solche Tests besonders wichtig sein, da Länder wie Litauen vollständig von russischem Gas abhängig sind.


Auf jeden Fall muss die EU eine politische und kommerzielle Anfälligkeit für Erpressung vermeiden. Größter Lieferant der EU ist derzeit der russische Zulieferer Gazprom.

Wird es in Zukunft einen Energieausgleich geben?

In Europa entscheidet jeder einzelne Staat über die Nutzung von Energieträgern wie Kohle, Öl, Gas, Wind oder Kernenergie. Auch die Energiebilanz ist eine nationale Angelegenheit.


Aber heute ist Europa noch immer auf Importe angewiesen. Kommunale Unternehmen gaben an, in Deutschland bestehe keine unmittelbare Gefahr von Versorgungsunterbrechungen. Darüber hinaus haben viele kommunale Unternehmen Gasspeicher zur Verfügung gestellt.

Ausbau erneuerbarer Energien

Klimaschutz ist nach dem Verständnis der EU Teil dieser Politik. Die von den Mitgliedstaaten vereinbarte Ausweitung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen auf 20 Prozent des Energieverbrauchs soll nicht nur der globalen Erwärmung entgegenwirken, sondern auch neue heimische Energiequellen schaffen. Bereits heute stammen 18 Prozent des Energieverbrauchs in der EU aus erneuerbaren Quellen. 80 Prozent der Energie in Europa müssen jedoch weiterhin mit konventionellen Kraftstoffen gedeckt werden.


Alle diese Bemühungen haben letztlich ein Ziel: Europa will mehr Bezugsquellen, da sich die Importabhängigkeit in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern wird. Doch nicht nur externe, sondern auch interne Meinungsverschiedenheiten treten heute immer wieder auf, was die Entwicklung einer gemeinsamen Politik erschwert.

Ist Erpressung von Russland möglich?

Die Fertigstellung von Nord Stream 2 ist ein wichtiges Projekt für die Europäische Union, da es nicht nur Deutschland, sondern auch die Benelux-Staaten, Schweden und möglicherweise Frankreich und Großbritannien mit russischem Gas versorgen könnte. Einer der Vorteile dieser Pipeline besteht darin, dass sie Transitländer wie die Ukraine umgeht. In Polen stößt das Projekt jedoch auf heftigen Widerstand, da Warschau befürchtet, russischen Erpressungsversuchen hilflos ausgeliefert zu sein, wenn das Land nicht mehr für den Gastransit nach Westeuropa benötigt wird. Darin kommen grundlegende geopolitische Meinungsverschiedenheiten zum Ausdruck.

Atomkraft: Ist dies eine würdige Alternative?

Eine gemeinsame europäische Energiepolitik wird zudem ständig durch die unterschiedlichen Energiestrukturen in den Mitgliedsstaaten behindert, was sich nicht nur beim irritierenden Thema Kernenergie bemerkbar macht. In Frankreich ist sie der wichtigste Energieträger, hier wollen die Behörden noch mehr Atomkraftwerke bauen. Deutschland hat sich entschieden, auf solche Energieversorgungssysteme zu verzichten.


Auch der Grad der Importabhängigkeit ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. So verfügen beispielsweise die Niederlande noch über große Gasreserven, während Bulgarien vollständig auf Lieferungen aus Russland angewiesen ist.


Kleinere Mitgliedstaaten wie Malta, Luxemburg und Zypern sind gezwungen, ihre gesamte Energie im Ausland einzukaufen. Auf der anderen Seite ist Polen immer noch am autarksten: Seine Abhängigkeit beträgt etwa 20 Prozent. Das Land hat eine große inländische Kohleproduktion.


Ob es eine Gaskrise geben wird oder nicht, ist schwer vorherzusagen. Gleichzeitig sind die Gaspreise 2021 europaweit in die Höhe geschossen. Die EU-Staaten sind nun bereit, Hilfestellung zu leisten.