Unter den derzeitigen Kandidatenländern war die Türkei das erste, das sich um eine EU-Mitgliedschaft beworben hat. Vertragsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei bestehen seit fast 60 Jahren, das Land ist ein wichtiger Partner der EU. Insbesondere die Bedeutung der Türkei hat in den letzten Jahren durch die Zusammenarbeit im Rahmen des EU-Türkei-Migrationspaktes zugenommen.
Wie ist die Beziehung zwischen der Türkei und der EU heute?
Bereits 1963 unterzeichnete die Türkei das Assoziierungsabkommen von Ankara mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die gemäß diesem Abkommen 1995 gegründete Zollunion bringt wirtschaftliche Vorteile sowohl für die Türkei als auch für die Europäische Union. Der mögliche Beitritt der Türkei zur EU ist seit 1993 Gegenstand politischer Debatten. Gleichzeitig stellte die Türkei 1987 einen förmlichen Antrag auf EU-Mitgliedschaft.
1999 erhielt das Land den Kandidatenstatus. Die Beitrittsgespräche begannen 2005, wurden aber vor einigen Jahren aufgrund der unangemessenen Rechtsstaatlichkeit, anhaltender Menschenrechtsverletzungen und des Zypern-Problems eingefroren. Heute sind die Aussichten auf einen EU-Beitritt der Türkei nicht besonders gut. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei gilt als unwahrscheinlich.
Kandidatenland Türkei: Weg zu den Beitrittsverhandlungen
Bis zum Beginn der Beitrittsverhandlungen können mitunter mehrere Jahre vergehen. Zudem müssen alle notwendigen Reformen im Vorfeld durchgeführt werden. Die EU verfolgt die Entwicklungen in laufenden Fortschrittsberichten.
Im Fall der Türkei stellte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 16.-17. Dezember 2004 fest, dass die Türkei die Kriterien für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zufriedenstellend erfüllt.
Ziel der Beitrittsverhandlungen ist die Erörterung bestimmter Bereiche wie:
- Außenpolitik
- Wirtschaftspolitik
- Rechtsstaatlichkeit
- einige andere Gebiete
All dies wird in 35 Kapiteln dargestellt. Die Verhandlungen finden auf Beitrittskonferenzen zwischen den EU-Regierungen und der Regierung des Kandidatenlandes statt. Ziel ist es, dass der Beitrittskandidat das EU-Recht vollständig übernimmt.
Im Rahmen der Verhandlungen der EU mit der Türkei ist eine sogenannte Einbeziehungsklausel enthalten, die vorsieht, dass die Türkei weitgehend in europäische Strukturen eingebunden wird, falls der Staat die Verpflichtungen aus der EU-Vollmitgliedschaft nicht nachhaltig erfüllt. Die Suspendierungsklausel sieht die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen vor, wenn die Türkei nachhaltig und erheblich gegen die Grundwerte der Europäischen Union wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verstößt.
Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei begannen bereits im Oktober 2005. Der EU-Rat billigte in seinen Schlussfolgerungen die Aufnahme der Verhandlungen. Bisher wurden jedoch nur 17 von 35 Kapiteln geöffnet und nur ein Kapitel geschlossen. Das letzte Kapitel wurde 2016 eröffnet, seitdem sind die Verhandlungen aufgrund der Ereignisse in der Türkei eingefroren.
Auch die Zypern-Frage wirkt sich auf die Situation aus
Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten und Vertragsverstößen wurden im Laufe der Jahre immer wieder Verhandlungen vorübergehend blockiert. Das große Problem hängt mit der Zypern-Frage zusammen. Die Türkei hat sich diesbezüglich an die Europäische Union gewandt, bevor die Beitrittsgespräche aufgenommen wurden.
Auf dem EU-Gipfel Ende 2004 in Brüssel versprach Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die Erweiterung der Zollunion auf zehn neue EU-Staaten, darunter auch Zypern, anzuerkennen. Er sagte, er sei bereit, das Zollunionsprotokoll später zu unterzeichnen. Ende Juli 2005 wurde ein Zusatzprotokoll zum Ankara-Abkommen, das Ankara-Protokoll, unterzeichnet. Kurz nach Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen bekräftigte die Türkei jedoch, dass sie Zypern immer noch nicht als Mitglied der EU anerkennen wolle.
Die Europäische Union hingegen forderte im Rahmen der Beitrittsverhandlungen die Anerkennung Zyperns durch die Türkei. Bis heute ist das Ignorieren der Souveränität und der souveränen Rechte Zyperns wie Griechenlands eines der Haupthindernisse für den EU-Beitritt der Türkei.
Verbesserungen sind noch nicht zu erwarten.
So drohte die Europäische Kommission 2006 mit dem Abbruch der Beitrittsverhandlungen, falls Ankara seine Häfen nicht für Schiffe aus Zypern öffnet. Die Türkei weigerte sich jedoch weiterhin, den in der Zollunion geschaffenen freien Warenverkehr in Form des freien Zugangs für zypriotische Flugzeuge, Schiffe und Lastwagen zum Hoheitsgebiet der Türkei zu garantieren.
Der EU-Rat hat die Vertragsverstöße wiederholt bemängelt und als Reaktion darauf Ende 2006 beschlossen, die Beitrittsverhandlungen teilweise auszusetzen. Aufgrund mangelnder Fortschritte bei der Umsetzung des Ankara-Protokolls hat der Rat der Europäischen Union diesen Beschluss seit 2006 jedes Jahr aktualisiert.
Es kam ebenfalls zu Menschenrechtsverletzungen
In den jährlichen Fortschrittsberichten zur Türkei thematisiert die EU-Kommission regelmäßig den politischen Reformprozess. Bereits in dem Fortschrittsbericht 2006 hatte sie das Tempo der Reformen kritisiert, das sich seit Beginn der Verhandlungen verlangsamt habe.
Erhebliche weitere Anstrengungen sind erforderlich. Die Liste der Kritikpunkte ist jedoch lang. Es gibt immer noch Berichte über Menschenrechtsverletzungen im Kandidatenland. Die aktuelle Strafgesetzgebung in der Türkei in Bezug auf die Meinungsfreiheit wirft immer noch viele Unklarheiten auf.
Noch ist der Einfluss des Militärs zu groß, die Justizreform geht nicht schnell genug voran. Bemerkenswert ist, dass auch die mangelnde Religionsfreiheit im Kandidatenland kritisiert wurde.