Es gibt unterschiedliche Ansätze, Atomenergie zur Stromerzeugung zu nutzen. Generell lassen sie sich in 3 Gruppen einteilen. Einige Länder streben kurz- oder mittelfristig einen Ausstieg aus der Atomenergie an, andere verlängern die Laufzeit von Kernkraftwerken (KKWs oder auch AKWs). Die dritte Gruppe plant Neubauten und setzt auf die Verlängerung der Lebensdauer bestehender Bauten.
Welche Entwicklungen sind auf internationaler Ebene hinsichtlich der Kernenergie zu beobachten?
Die stärksten Argumente dafür und dagegen
Die Meinungen zur Kernenergie variieren von Land zu Land und auch auf nationaler Ebene. Ihre Befürworter führen mehrere Punkte an:
- die Zuverlässigkeit der Stromversorgung durch Atomenergie
- relativ geringer CO2-Ausstoß im Betrieb, was als Plus im Kampf gegen den Klimawandel betrachtet wird
Auch die Gegner stehen nicht daneben und verweisen auf folgende Faktoren:
- Unfallrisiko und Arbeitsintensität der Entsorgung radioaktiver Abfälle
- relativ hohe Kosten und lange Bauzeiten
Laut dem Power Reactor Information System der Internationalen Atomenergiebehörde sind heute weltweit 413 Kernreaktoren in Betrieb, deren Durchschnittsalter mehr als 30 Jahre beträgt. Im vergangenen Jahr wurden 6 neue Reaktorblöcke an das Netz angeschlossen. Zwei japanische Kraftwerke, die 2011 aufgrund der Reaktorkatastrophe in Fukushima abgeschaltet wurden, wurden wieder in Betrieb genommen.
Aber auch einige Triebwerke wurden stillgelegt. Es gibt nur 5 davon, 3 davon sind die letzten deutschen Anlagen „Neckarwestheim-2“, „Emsland“ und „Isar-2“.
Zusätzlich zu den in Betrieb befindlichen Reaktoren gibt es weitere 25, die im „Suspended Operation“-Modus betrieben werden. Dazu gehören Reaktoren, die über einen längeren Zeitraum stillgelegt, aber noch nicht vollständig stillgelegt wurden. 21 dieser Reaktoren befinden sich in Japan und die restlichen 4 in Indien.
Betrachtet man die sich ständig ändernde Situation bei Reaktoren, sind bestimmte Trends leicht erkennbar:
- Die meisten neuen Reaktoreinheiten werden in Asien gebaut
- Die meisten der derzeit abgebauten Reaktoren befinden sich in Westeuropa und Nordamerika
Die Schlussfolgerung daraus ist, dass das Durchschnittsalter der Reaktoren in Asien relativ gering ist.
Atomkraft in der EU – etwa ein Viertel aller Reaktoren weltweit
In der Europäischen Union sind etwa 100 Kernreaktoren in Betrieb. Kernkraftwerke werden in 12 der 27 Mitgliedsstaaten betrieben. Dabei betreibt ein Mitgliedsstaat ein AKW nicht selbst, sondern ist Miteigentümer. AKWs werden nur in 2 Mitgliedsstaaten gebaut – Flamanville in Frankreich und Mochovce in der Slowakei.
Einige Länder wie Belgien und Deutschland planten den Ausstieg aus der Kernenergie, mussten diesen jedoch verschieben. Diese Entscheidung wurde durch den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beeinflusst. Spanien hält jedoch weiterhin an der Ausstiegsidee fest.
Es gibt auch Mitgliedsstaaten, wie zum Beispiel Frankreich, die einen durchaus groß angelegten Ausbau der Kernenergie angekündigt oder initiiert haben. Diese Länder streben eine Fristverlängerung an. Polen beabsichtigt, sein Atomprogramm in naher Zukunft wieder aufzunehmen.
Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland: Wie überzeugend sind die Argumente?
In Deutschland ist nicht alles so eindeutig. Schien unter Altkanzlerin Angela Merkel aufgrund der verheerenden Reaktorkatastrophe in Fukushima der Ausstieg klar und unausweichlich, so hat sich diese Entscheidung im Jahr 2022 wieder rückgängig gemacht.
Nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nahm die Diskussion um die Atomenergie in Deutschland neuen Schwung auf. In ihrer „Heidelberger Erklärung“ vom Januar 2024 zeigt sich die CDU aufgeschlossen gegenüber neuen Kernkraftwerken.
Aufgrund der sanktionsbedingten Energiekrise konnten die letzten 3 Kernkraftwerke in einem vorübergehend erweiterten Betrieb weiterlaufen. Doch vor einem Jahr, Mitte April 2023, wurden sie stillgelegt.
Lohnt der Weiterbetrieb?
Die Wiedereinführung der Kernenergie hat ein unbestreitbares Argument. Diese Art der Energieerzeugung ist klimaneutral und verursacht kein CO2.
Auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist hier ein starker Treiber. Vor dem Konflikt in der Ukraine war Deutschland stark von russischen Gasimporten abhängig. Mit dem Wegfall der russischen Importe musste sich die Bundesrepublik nach alternativen Energiequellen und insbesondere deren Importen umsehen.
Höchstwahrscheinlich wird es in der Zukunft (wie auch jetzt) zu einem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energiequellen kommen. Aber auch weitere Klimaschäden durch die Kohleverstromung sowie die Abhängigkeit von Gasimporten sind unvermeidlich. Die Nutzung der Kernenergie wiederum schont das Klima und führt zu einer größeren Unabhängigkeit von Importen.
Dabei handelt es sich um eine kontinuierliche, wetterunabhängige Stromproduktion. Derzeit ist es nicht möglich, die Kernenergie völlig zu vernachlässigen. Und diese Gelegenheit ist in naher Zukunft nicht zu erwarten.
Ein weiteres Argument ist, dass die Kernenergieproduktion im Gegensatz zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen keinen Schwankungen unterliegt. Es ist auch keine neue Infrastruktur erforderlich, die zusätzliche Ressourcen und Zeit erfordert. Kernkraftwerke existieren bereits, so dass deren Weiterbetrieb möglich wäre.